Zur Lage in Libyen

Schutz der Zivilbevölkerung muss an erster Stelle stehen.

 

In den Medienberichten zu Libyen wird kaum von Menschen gesprochen. Die Frauenrechtsorganisation AMICA e.V. warnt vor „besorgniserregenden Leerstellen“ in den aktuellen Debatten und fordert, die Situation der Zivilbevölkerung miteinzubeziehen.


„In der momentanen Berichterstattung zum Libyen-Konflikt ist die Rede von Milizen, Warlords und Haftzentren. Die Situation der in Libyen lebenden Menschen und ihr existenzieller Kampf um Frieden und Sicherheit bleiben eine besorgniserregende Leerstelle in den aktuellen Debatten. Die Zivilbevölkerung steht zwischen den Fronten.“ Sylvia Rombach, Libyen-Referentin der Frauenrechtsorganisation AMICA e.V., warnt insbesondere davor, in den aktuellen politischen Verhandlungen zum Libyen-Konflikt die Situation der Frauen außen vor zu lassen.

Je labiler die Sicherheitslage in einem Land, desto stärker sind Frauen von geschlechtsbasierter Gewalt und sexualisierter Kriegsgewalt betroffen. „Frauen gehören zu den Hauptleidtragenden des Libyen-Konflikts. Sie sind durch die zunehmende Gewalt auf den Straßen, den Zusammenbruch der Infrastruktur und bewaffnete Auseinandersetzungen extrem bedroht. Die instabile Sicherheitslage führt zu einer Verschärfung von Gewalt gegen Frauen. Gleichzeitig sind es die libyschen Frauen, die den Alltag am Laufen halten und die Familien versorgen.“

Kontakte von AMICA vor Ort berichten regelmäßig von der prekären Sicherheitslage. Ca. 140.000 Binnengeflüchtete mussten ihr Zuhause verlassen, darunter 50 % Frauen und Kinder (1). Gebäude und Infrastruktur sind zerstört. Die Flughäfen in Tripolis und Misrata müssen aufgrund der Kampfhandlungen und gezielter Angriffe immer wieder den Betrieb einstellen. Die UN geht in einem Bericht von 2019 von 278.000 Frauen aus, die humanitäre Hilfe benötigen, 170.000 fehlt der Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung (2). Strom, Wasser, Lebensmittel und Benzin sind Mangelware. Frauen sind den bewaffneten Gruppen schutzlos ausgeliefert, ihre Bewegungsfreiheit ist derzeit extrem eingeschränkt, so der Bericht einer Frauenrechtsaktivistin aus Tripolis an AMICA.

Zahlreiche internationale Organisationen haben sich seit der Verschärfung des Konflikts 2014 aus dem Land zurückgezogen. AMICA e.V. ist eine der wenigen NGOs, die noch direkt vor Ort tätig sind; sie steht im täglichen Kontakt zu ihren Partnerorganisationen in Tripolis und Bengasi. Die Partnerinnen von AMICA berichten aus erster Hand von der zunehmenden Gefährdung der Frauen und der existenziellen Not der Zivilbevölkerung.

AMICA fordert, dass in der Berichterstattung ebenso von Seiten der internationalen Gemeinschaft in den aktuellen Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konflikts die Situation der Zivilbevölkerung miteinbezogen wird. Die Bundesregierung muss in den Friedensverhandlungen eine menschenrechtsbasierte und geschlechtergerechte Außenpolitik verfolgen und die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess unterstützen. Nur mit einer konsequenten Umsetzung der UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden Sicherheit“ ist eine nachhaltige Friedenssicherung möglich, die den Schutz von Frauen berücksichtigt.

(1) https://unsmil.unmissions.org/srsg-ghassan-salame-statement-international-women’s-day (2) https://unsmil.unmissions.org/srsg-ghassan-salame-statement-international-women’s-day

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