» Portrait
„Die Hoffnung habe ich nicht verloren“
Marina ist eine Frau, die nicht tatenlos zuschauen kann. Krieg und Flucht kennt sie aus eigener Erfahrung. Geboren ist sie im Osten der Ukraine – eine Region, die sich seit acht Jahren im Krieg befindet. Vieles musste sie zurücklassen, die Hoffnung aber niemals.
Ein erstes Mal verlor sie ihr Zuhause 2014. In diesem Jahr begann der gewaltvolle Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen im Osten der Ukraine. Marinas Heimatstadt Donezk befand sich direkt in der umkämpften Zone. Sie fand Zuflucht 100 Kilometer weiter in Mariupol. Dort traf sie viele Frauen, die vor Krieg und Gewalt geflohen waren und dringend Unterstützung brauchten. Marina baute ein Team aus Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Ärzt*innen auf und leitete ein Beratungszentrum für Frauen.
Acht Jahre später wiederholt sich mit dem russischen Angriff die Geschichte. Diesmal befindet sich Mariupol inmitten der Gefechte. Wieder packt Marina einen kleinen Koffer und verlässt die Stadt. Aber diesmal hat sie etwas ganz Besonderes mit im Gepäck: Ihr Team. Trotz Krieg und Flucht setzen sie die großartige Arbeit, die sie bis Anfang des Jahres in Mariupol für Frauen in Not geleistet haben, fort.
Seit Kurzem lebt Marina zwischen Dniepro und Iwano-Frankiwsk. In diesen zwei Städten baut sie neue Beratungszentren auf, in denen Frauen Schutz und Hilfe finden können. Marina weiß genau, was zu tun ist: Während ihrer Zeit in Mariupol ist sie zu einer Expertin für die Bedürfnisse von Frauen im Krieg geworden und weiß, welche Unterstützung sie brauchen.
„Ich tue heute, was ich für notwendig halte, wie vorher in Mariupol. Ich habe Menschen um mich – meine Kolleg*innen, wir sind uns im Geiste nahe. Ob ich mich „heimatlos“ fühle? Nein.“ Solidarität ist ihr Zuhause und sie geht mutig weiter auf dem Weg in eine gerechtere, friedlichere Zukunft.
Ich lebe heute zwischen Städten und sogar Ländern. Neulich wurde ich gefragt, wo ich zu Hause sei, und ich antwortete: Mein Zuhause ist da, wo mein Handy ist.
Öfter wurde mir gesagt, dass mein Leben „zurückgesetzt“ wurde. Das empfinde ich nicht so. Mein Heimatland und ich haben zwar unser damaliges Leben verloren, aber ist dieses Leben umsonst gewesen? Nein. Genau wie vorher in Mariupol tue ich heute, was ich für notwendig halte. Wie vorher habe ich auch mein Team um mich – Menschen, die sich im Geiste nahe sind. Fühle ich mich also „heimatlos“? Nein. 2014 habe ich mein Haus in Donezk verloren, jetzt meine Wohnung in Mariupol. Aber die Hoffnung habe ich nicht verloren. […] Die Nacht wird zur Dunkelheit, die Dunkelheit zum Licht. Wir arbeiten. Wir unterstützen uns gegenseitig. Wir bieten Frauen, Kindern und Kleinkindern Schutz an. Wir werden überleben.“ |
Marina, AMICA-Partnerin, April 2022
„Die Resolution verliert kein Wort über Sanktionen, die im Falle einer Nichterfüllung verhängt werden.[…] Wir fordern, dass das Verbrechen der sexuellen Gewalt auch in Kriegszeiten geahndet wird.“
Maryna Puhachova, Ukraine
Unsere ukrainischen Partner*innen sind seit dem Beginn des Angriffskrieg in vollem Einsatz. Nachdem sie Mariupol verlassen haben und ihr dortiges Beratungszentrum abgebrannt wurde, sind sie an mehreren Standorten aktiv und helfen da, wo es gebraucht wird.
Seit 2014 leben die Menschen im Osten der Ukraine im Krieg. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation bieten wir seit 2018 Frauen, die unter den Folgen traumatischer Gewalterfahrungen leiden, psychosoziale Beratung und Schutzräume an.