Briefe für die Gerechtigkeit

Foto: ©Sama Beydoun

Aktuell gibt es im Libanon 15 verschiedene Personenstandsgesetzte für 18 Religionen, die von separaten religiösen Gerichten verwaltet werden. Dadurch ist die rechtliche Lage für Frauen bezüglich Heirat, Scheidung, Erbschaft, Sorgerecht und weiterer Privatangelegenheiten von ihrer Konfession abhängig. Frauen werden oft benachteiligt und erfahren keine fairen Gerichtsverfahren.

Unsere libanesischen Partnerinnen von KAFA setzten sich seit Jahren für die Vereinheitlichung des Zivilgesetzes ein. Im Zuge einer Gruppentherapie entstanden 12 Briefe, in denen Frauen von ihren Schicksalen erzählen.

Unter dem Titel „It has become a unified personal status law“ veröffentlichte KAFA die Briefe der Frauen als Booklet. Einer der Briefe wurde von Walaa geschrieben.

Zum Booklet (Arabich und Englisch)


» Brief Nr. 6

Walaa: Ich will eine Vereinheitlichung des Zivilgesetzes, die uns alle schützt

„Ich hab mit 20 Jahren geheiratet und bin mit meinem Ehemann nach Schweden gezogen. Dort lebte ich mit ihm für vier Jahre in einem Warenlager ohne Fenster. Ich ertrug all seine Missbräuche. Ich ertrug seinen Geiz, seine Unterstellungen mir gegenüber und seine Inhaftierung. Ich arbeitete für ihn, nie habe ich mich wie eine Frau, die mit ihrem Mann lebt, gefühlt.
Die Probleme haben sich mit der Zeit nur verschlimmert. Irgendwann begannen die psychischen und verbalen Misshandlungen. Hätte ich zu dieser Zeit in meiner Heimat gelebt, wäre ich wahrscheinlich auch physisch missbraucht worden.

Er fing an mir die Missstände vorzuwerfen, was mich verletzte. Ich wollte mit meiner Tochter zurück nach Libanon, bis sich die Situation beruhigt hatte. Aber er erlaubte nicht, dass meine dreijährige Tochter mich begleitet.

Fünf Tage später kam ich in Libanon an. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass er die Scheidung und ein Reiseverbot gegen mich beim orthodoxen Gericht eingereicht hatte. Ich wusste nicht mit welchem Recht oder mit welcher Begründung! Mir war es für drei Jahre verboten aus dem Libanon auszureißen und so konnte ich meine Tochter nicht besuchen.

Vor Gericht wurde nur ich befragt. Ich beantragte die Aufhebung des Reiseverbotes, allerding bekam ich nie eine Antwort. Leider gewinnt in diesem Land immer, wer Beziehungen zu einflussreichen Menschen hat und setzt sich dadurch über die Rechte der Geschädigten. Was das Gesetz betrifft, so unterdrückt es Frauen und ihre Rechte.

Nach einer langen Verhandlung und einem harten Kampf wurde ich geschieden. Aber das Gericht sprach ihm das alleinige Sorgerecht für unsere Tochter zu und zusätzlich musste ich alle Kosten des Prozesses tragen! War nicht er, der die Scheidung eingereicht hatte? Das ist das ehrwürdige religiöse Gericht.

Ich möchte, dass mein Land sich erholt und dass seine Gesetze gerecht werden. Ich will ein einheitliches Personenstandsgesetz, das uns alle gleich behandelt!“

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