» AMICA-Beitrag zum Weltfrauentag 2023, Freiburg

 

In Solidarität mit allen Frauen* weltweit

 

Seit Jahrzehnten gehen Frauen am 8. März auf die Straße, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Er ist zu einem internationalen, feministischen Tag für Gleichberechtigung und gegen Unterdrückung geworden. Die Anliegen sind vielfältig und nehmen oft Bezug auf die aktuelle Politik oder gesellschaftliche Missstände, die Frauen strukturell diskriminieren. Das Wahlrecht für Frauen ist ein prominentes Beispiel aus der Vergangenheit, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper – Stichwort Abtreibungsparagraph – oder gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit sind weiterhin konkrete Forderungen.

Die Veranstaltungen am und um den 8. März sind eine wichtige Gelegenheit im Jahr, feministische Anliegen sichtbar zu machen. Für AMICA bedeutet das unter anderem, Gewalt gegen Frauen zu thematisieren und die Öffentlichkeit über die Arbeit unserer Partnerinnen in Libyen, im Libanon, in der Ukraine und in Bosnien zu informieren. Wir wollen sie auch dafür sensibilisieren, dass Gewalt gegen Frauen keine Nebenerscheinung eines Krieges oder Konfliktes ist, sondern strukturell im patriarchalen System verankert ist.

Am 8. März werden Kämpfe sichtbar gemacht, die Frauen auf der ganzen Welt tagtäglich führen: der Kampf um Anerkennung unserer Arbeit, für gerechte Bezahlung, für die Selbstbestimmung über unsere Körper, für gleiche Bildungschancen, für unsere Gesundheit – und in manchen Fällen der Kampf ums Überleben.

Unsere Solidarität gilt dabei den Aktivist*innen im Iran genauso wie streikenden Pflegekräften in Deutschland; den Frauen in Afghanistan ebenso wie syrischen Geflüchteten; der Mutter im Senegal gleichermaßen wie der alleinstehenden Erzieher*in in Frankreich.

Wir fordern Gehör für alle unsere Anliegen!

Im Kontext der zunehmenden Kriegsrhetorik des letzten Jahres haben wir uns mit dem Begriff des Kampfes auseinandergesetzt, der seit letztem Jahr wieder stark mit Waffengewalt konnotiert ist. Und durch die 30-jährige Zusammenarbeit von AMICA mit Frauen in Kriegs- und Krisengebieten wissen wir: Gewalt & Krieg schaden dem feministischen Kampf, schaden allen Geschlechtern. Wir wissen, dass in der Ukraine und in jedem anderen Kriegsgebiet der Welt Frauen vergewaltigt, erschossen, gefoltert und versklavt werden. Was wir nicht vergessen dürfen: Es passiert nicht nur Frauen. Und ganz besonders dürfen wir nicht vergessen: es passiert Frauen und anderen vulnerablen Gruppen auch außerhalb eines Krieges tagtäglich.

AMICA unterstützt Frauen in Kriegs- und Krisengebieten explizit auch in pazifistischen Bestrebungen, weil wir überzeugt sind, dass es für die Veränderung eines unterdrückenden Systems Frieden braucht. Für Frieden zu sein bedeutet für uns nicht, einem aggressiven Angriff tatenlos zuzusehen und die Augen vor den Folgen eines solchen Angriffs zu verschließen. Wir sind für Frieden, weil wir überzeugt sind, dass keine Gewalt im luftleeren Raum passiert; dass ihre Ursachen immer tiefer liegen. Wir sind auch überzeugt, dass insbesondere Kriegsgewalt zwei wesentliche Systeme struktureller Diskriminierung unterstützt und am Leben hält: das Patriarchat und den Nationalismus. Gegen diese Systeme kämpfen wir als Feminist*innen – mit Worten, mit Solidarität, mit konstruktiven Forderungen an die Politik, mit langfristiger Aufklärungsarbeit und kontinuierlicher Bewusstseinsbildung. Wir möchten sichtbar und verständlich machen, dass die herrschenden Strukturen Frauen die Beteiligung an politischen Prozessen systematisch erschweren; sie systematisch klein halten und ihnen oftmals nicht die gleichen Chancen wie Männern geben.

Am 8. März ist unser Kampf auf der Straße von Worten geleitet, laut und bestimmt. Er findet in Solidarität mit Frauen weltweit statt. Im Alltag ist er oft leise, aber beständig. Er findet im Alltag unserer Partnerinnen statt, zum Beispiel wenn sie in der Ukraine mit der Regionalverwaltung erfolgreich verhandeln, dass Justizbeamte in Zukunft verpflichtend an Schulungen zum Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen teilnehmen müssen. Er findet in den Beratungszentren in Libyen statt, in denen Frauen die Möglichkeit bekommen, eine Ausbildung zu machen und sich mit ihrem eigenen Lebensunterhalt unabhängig machen können von gewaltsamen Familienkontexten; er findet in Bosnien statt bei der Unterstützung von Frauen, die Anzeige erstatten gegen Kriegsverbrechen, die an ihren Körpern begangen wurden.

Frauenbewegungen waren schon immer auch Protestbewegungen gegen das herrschende System, das sie unterdrückt, gegen die bestehenden Machtverhältnisse, die ihnen kaum Raum geben, sich zu beteiligen. Und es ist unglaublich bestärkend zu wissen, dass wir diesen Kampf nicht alleine führen! Am feministischen Kampf sind alle beteiligt, die sich gegen ein kapitalistisch-ausbeuterisches System, gegen rechts-konservative und populistische Ideologien und gegen Diskriminierung von marginalisierten Menschen wehren. Zu einem feministischen Kampf gehört für uns auch, für Frieden und gegen Gewalt einzutreten.

Ganz unabhängig von Kriegen erfährt durchschnittlich jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt. Wir wissen, dass diese Zahlen im Krieg deutlich steigen. Dort ist die Gewalt gegen Frauen nicht mehr unsichtbar, im Krieg findet Gewalt nicht mehr „nur“ zu Hause oder in dunklen Ecken statt. Sie passiert öffentlich, für die ganze Welt sichtbar, und: sie richtet sich nicht nur gegen Frauen.

Was uns im letzten Jahr aufgefallen ist: die Forderungen nach mehr Gewalt sind in diesem Kontext lauter, als die radikale Ablehnung von Gewalt. Diese sichtbare Gewalt führt nicht dazu, dass wir alle unsere Kräfte bündeln, um endlich der strukturellen Gewalt und einem unterdrückenden System den Garaus zu machen. Diese Gewalt unterstützt die strukturelle und systematische Gewalt gegen Frauen und andere Menschen, die „nicht ins System“ passen. Wir sind überzeugt davon, dass Gewalt nie eine Lösung ist für die Überwindung dieses unterdrückenden Systems. Sie geschieht nie „zu unseren Gunsten“. Sie ist immer ein Mittel der Machtausübung über andere.

Wir sind daher weder naiv noch machtlos, wenn wir uns für Frieden einsetzen. Frieden ist aus unserer Sicht weiterhin die Grundvoraussetzung für ein Leben in Würde und Gleichberechtigung – nicht nur für Frauen, sondern für ALLE Menschen weltweit.

 


 

* DISCLAIMER: Mit dem Wort „Frauen“ – sind alle gemeint, die sich als Frauen identifizieren | zurück ↑

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