Interview

„Jede Spende kann Großes bewirken“
Ein Interview mit Cornelia Grothe

Cornelia Grothe hat in Freiburg Gender Studies, Erziehungswissenschaften und Europäische Ethnologie studiert. Nach verschiedenen Stationen im jugendpolitischen Feld arbeitete sie von 2012 bis 2018 als freiberufliche Moderatorin und Coachin. Seit 2019 ist Cornelia Grothe Geschäftsführerin von AMICA e.V.

Foto: Jeannette Petry

AMICA: Gerade in Zeiten globaler Krisen und wachsender sozialer Ungleichheiten fragt man sich: Welchen Unterschied können Spenden bei AMICA konkret bewirken?

 

Cornelia Grothe: AMICA ist eine vergleichsweise kleine NGO, und jede Spende – in welcher Form auch immer – kann Großes bewirken. Unser Team wird durch Spenden finanziert, ebenso wie unsere Geschäftsstelle. In den Partnerländern ermöglichen sie die Miete für psychosoziale Beratungszentren oder unterstützen Frauen in Krisengebieten direkt. Kurz gesagt: Ohne Spenden wäre unsere internationale Arbeit schlichtweg nicht möglich.
 

A: Warum ist es gerade jetzt so wichtig, offen und transparent über das Thema Spenden zu sprechen?

 

CG: Wir befinden uns in einer politisch angespannten Zeit, in der die Finanzierung für NGOs und internationale Organisationen zunehmend unter Druck gerät. Es wird immer öfter versucht, die Arbeit von NGOs zu delegitimieren – Gelder werden gestrichen, und in den Medien tauchen Berichte über Missbrauch von Spendengeldern auf. Deshalb ist es umso wichtiger, klar und transparent zu zeigen, was mit den Spenden bei AMICA passiert und warum wir darauf angewiesen sind.
 

A: Wie können Spender*innen nachvollziehen, was mit ihren Beiträgen passiert?

 

CG: Transparenz ist für uns essenziell. Wir veröffentlichen unsere Finanzen in einem Transparenzbericht und wir informieren regelmäßig in unseren Spendenbriefen und auf Social Media über den Einsatz der Spendengelder. Ich kann zu jeder Zahlung auf unserem Konto sagen, woher das Geld stammt und wofür jede Ausgabe verwendet wurde. Manchmal rufen Spender*innen auch an – dann gebe ich gerne persönlich Auskunft.
 

A: Ein sensibles Thema ist oft der Verwaltungsanteil. Wie sieht er bei AMICA aus?

 

CG: 2023 lag unser Verwaltungsanteil bei 30%. Das klingt zunächst hoch, liegt aber an unserer Art, Kosten zu kategorisieren: Wir zählen etwa das Gehalt einer Referentin für unser Ukraine-Projekt als Verwaltungskosten, während größere Organisationen solche Posten als „Projektkosten“ verbuchen. Wir bevorzugen, die Dinge so abzubilden, wie sie tatsächlich sind.
 

A: Also keine kreativen Berechnungen, sondern eine transparente Darstellung der Finanzen?

 

CG: Genau! AMICA ist eine kleine NGO und hat weder die Kapazitäten noch das Interesse, Statistiken so zu gestalten, dass sie besser aussehen. Uns geht es darum, dass die Menschen verstehen, wie ihre Spenden eingesetzt werden.
 

A: Wie können Projekte auf Basis von Spenden geplant werden?

 

CG: Zum Glück können wir relativ stabil planen, weil wir eine treue und engagierte Spender*innengemeinschaft haben – dafür sind wir unglaublich dankbar! Allgemeine Spenden setzen wir dort ein, wo dringend Bedarf ist. Es gibt aber auch die Möglichkeit zweckgebunden zu spenden und damit ganz gezielt eine Region oder ein Projekt voranzubringen.
 

A: Gibt es bei AMICA neben der klassischen Geldspende noch andere Möglichkeiten, sich zu engagieren?

 

CG: Ja, absolut. Häufig erhalten wir z.B. Erlöse aus Kunstauktionen oder Sammelspenden anlässlich eines Geburtstages. Es gibt auch die wertvolle und tatkräftige Unterstützung durch Ehrenamtliche, die uns bei vielen Aktionen kreativ unterstützen, von Weihnachtskarten, Standbetreuung bis hin zu öffentlichkeitswirksamen Beiträgen.
 

A: Wie steht AMICA zu Sachspenden?

 

CG: Wir prüfen Sachspenden sehr genau und entscheiden gemeinsam mit unseren Partner*innen, ob sie sinnvoll sind. Es muss beispielsweise sichergestellt sein, dass Transportgenehmigungen vorliegen und die Einfuhr problemlos möglich ist. Außerdem stellt sich die Frage: Können die Gegenstände vor Ort repariert werden? Gibt es Ersatzteile? Geldspenden sind oft flexibler und ermöglichen es unseren Partnerorganisationen, genau das zu beschaffen, was in einer akuten Situation benötigt wird.
 

A: Eine besondere Erfolgsgeschichte, die durch eine Spende möglich wurde?

 

CG: Eine schöne sogar: Eine von unserer bosnischen Partnerorganisation betreute Frauengruppe hat einen wohltuenden Ausflug zu Thermen gemacht, der den schwer traumatisierten Frauen sehr half. Dies regte unsere dortigen „Landfrauen“ zu der Idee einer gemeinschaftsfördernden Unternehmung mit Frauen aus allen Landesteilen an. Eine großzügige Spenderin, mit der wir in Kontakt standen, machte es möglich. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen eine Spende ganz ohne „Nachweise“ und „Evaluierung“ bewilligt wurde – einfach, weil jemand verstanden hat, dass Menschlichkeit nicht immer messbar sein muss.
 

A: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Spendest du selbst auch – und wenn ja, für welchen Zweck?

 

CG: Ja, meine persönlichen Spenden gehen an die Seenotrettung. Ich habe großen Respekt vor den Ehrenamtlichen, die sich dieser extrem belastenden Arbeit widmen, und kann mir die emotionale Last kaum vorstellen. Durch meine Arbeit bei AMICA sehe ich, was es für Menschen bedeutet, auf der Flucht sein zu müssen. Ich finde die EU-Richtlinien für Geflüchtete unerträglich, und die Seenotrettung rettet jeden Tag Leben. Das ist für mich ein notwendiges Zeichen der Menschlichkeit. Ich glaube fest daran: Wenn jeder Mensch etwas gibt, kann daraus etwas Großes entstehen. Das gilt auch für AMICA.
 


 

Das Interview wurde von unserer Ehrenamtlichen Laura Schwiertz geführt.

 

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